veröffentlicht im November 2017

Der Riss des Kreuzbandes beim Hund

Wie kommt es dazu?

 

Ein Kreuzbandriss beim Hund kommt weitaus häufiger vor als allgemein angenommen und zählt zu den häufigsten orthopädischen Verletzungen beim Hund.

Ursache für eine solche Verletzung kann einerseits ein plötzliches Trauma (Unfall) sein, wesentlich häufiger jedoch tritt die Ruptur des Kreuzbandes aufgrund degenerativer Veränderungen (Abnutzungs-erscheinungen) auf - Grund dafür ist z.B. dass der Bandapparat im Knie des Caniden auch im Stand starker Belastung ausgesetzt ist, Hüft-, Knie- und Sprunggelenk bilden im Gegensatz zum Mensch dabei keine gewichtstragende Achse, die Hinterhand des Hundes ist im Stand angewinkelt und das vordere KB steht ständig unter Zug.

Betroffen von einer Ruptur ist daher meist das vordere KB. Eine Verletzung des hinteren KB liegt nur in den seltesten Fällen vor.

 

Im Falle eines degenerativen Prozesses tritt die Verletzung während ganz normalen Bewegungsabläufen ein - das kann ein Spiel mit Artgenossen, dem Hinterherjagen eines Balles oder ein Tritt in ein Loch auf unebenem Boden sein.

 

Beim Mensch reißt das KB meist direkt komplett. Beim Caniden hingegen reißt das KB sehr selten auf Anhieb komplett durch, sondern eher Faser für Faser. Ein solcher Anriss des KB ist durch wochenlanges Schonen des Hundes zwar reparabel, die Gefahr des endgültigen Risses, während und nach der Schonung, ist aber sehr hoch.

 

 

 

Funktion des Kreuzbandes

 

Das Kreuzband ist eine Sehne im Kniegelenk und dient dessen Stabilisierung bei Bewegung nach Vorne, Hinten sowie bei Rotation.

Das vordere (Ligamentum cruciate) und hintere (Ligamentum cruciate caudale) Kreuzband kreuzen sich im Zentrum des Knies (daher auch der Name) und verbinden Ober- und Unterschenkel zu einer stabilen Einheit.

 

Ist das KB gerissen wird das Kniegelenk instabil, Ober- und Unterschenkel verschieben sich gegeneinander. Infolge dessen kommt es bei Nichtbehandlung auf Dauer zu einer ausgeprägten Arthrose und nachhaltigen Verletzungen des Meniskus (Puffer zwischen Ober- und Unterschenkel).

 

 

Symptome eines Kreuzbandrisses

 

In erster Linie kommt es zu einer Lahmheit im betreffenden Hinter-lauf. Diese muss zunächst nicht stark ausgeprägt sein, unter Umständen ist sie auch nur in bestimmten Bewegungs-Modi zu erkennen.

Auch kann es vorkommen, dass der Hund nach einer kurzen Lahmheit (ein, zwei, drei Tage) plötzlich augenscheinlich wieder normal läuft, bevor die Lahmheit erneut auftritt.

 

Bedingt durch die Instabilität des Betroffenen Kniegelenks nimmt der Hund auch im Stehen eine Schonhaltung ein – d.h., das verletzte Knie wird entlastet und der Hund steht merklich "schief". Auch im Sitz spreizt er betroffenen Hinterlauf seitlich nach aussen, weil das Beugen des Knies unangenehm ist (Sitztest). Werden solche Symptome beobachtet, sollte der Hund alsbald beim Veterinär vorgestellt werden.

 

Der Riss des KB verursacht dem Hund zunächst keine großen Schmerzen, dauerhaft verursacht es jedoch nicht reversible und schmerzhafte Schäden im Knie wie auch, bedingt durch die Schonhaltung, eine Überbeanspruchung der gegenüberliegenden Gelenke. Ebenfalls sind einsetzender Muskelschwund und Knochenabbau im betroffenen Lauf mögliche Folgen.

 

 

Diagnose eines Kreuzbandrisses

 

Einen Riss des KB kann der TA relativ sicher durch Sitztest, Schubladentest, Lachmann-Test und/oder Tibiakompressionstest feststellen.

 

Beim Sitztest beispielsweise spreizt der Hund im Sitzen das betreffende Bein deutlich nach außen weg, wobei das Abspreizen aber auch andere Ursachen haben kann als ein KB-Riss.

 

Fast 100 %ige Sicherheit bringt der sogenannte "Schubladentest".

Hierbei verschiebt der TA die Ober- und Unterschenkel gegeneinander.

Gelingt dieser Test, ist das KB mit Sicherheit nicht mehr intakt.

 

Röntgen, MRT oder Endoskopie kommen auch in Frage, jedoch meist nur dann, wenn das KB noch nicht gänzlich gerissen ist und infolge dessen oben erwähnte Tests negativ verliefen. 

Sitztest noch während der Schonung. Gut zu sehen wie Éowyn den rechten Hinterlauf nach aussen spreizt und das betroffene Kniegelenk entlastet und die Beugung vermeidet.

 

Therapie eines Kreuzbandrisses

 

Es gibt verschiedene Behandlungsmethoden eines Kreuzband-risses, man spricht von bis zu 200 Operationstechniken.

Leichte Verletzungen des KB im frühen Stadium werden durchaus versucht ohne operativen Eingriff zu reparieren. Dabei kommen mit Thrombozyten angereichertes Plasma (PRP) oder auch eine Kernspin-Resonanz-Therapie (MBST) zum EInsatz. Aber bis zur Gesundung ist es ein weiter Weg und erfordert sehr viel Geduld und Ausdauer bei Hund und Halter.

Beim vollständig gerissenen KB ist der operative Eingriff letztendlich unumgänglich. Zu Beginn der Kleintier-Orthopädie wurde das KB durch Umlenkung von starken Muskelbündeln oder Sehnenplatten ersetzt, womit sich auch noch heute bei kleinen Rassen gute Erfolge vorweisen lassen. Alternativ dazu werden auch dicke Fäden aus Stahl, nicht auflösbarem Polyester oder Silch verwendet, die im Unter- und Oberschenkel verankert werden (lateraler Bandersatz). Bei größeren Rassen besteht hier jedoch die Gefahr eine Risses oder Lockerung des/der Fäden.

Anfang der 2000er bedeuteten dann neuartige Operationstechniken eine kleine Evolution. Dabei wird die Bio-Mechanik des Kniegelenks derart verändert, dass auf ein Kreuzband gänzlich verzichtet werden kann und nicht mehr rekonstruiert wird. Bei mittlelgroßen und großen, sportlichen und auch übergewichtigen Hunden sind diese Techniken heute das Mittel zum Zweck.

Dabei werden mittels Knochenschnitten entweder das Unterschenkelplateau angehoben (TPLO) oder ein Steg des Unterschenkels weiter nach vorne verbracht (TTA).

An dieser Stelle möchte ich jedoch jedoch nur auf die TTA-Methode genauer eingehen, da wir uns für diese Variante entschieden und auch auseinandergesetzt haben.

TTA  (Tibial Tuberosity Advancement)

  • Der vordere Teil des Tibia-Knochens (Schienbein) wird durchtrennt und mittels Titan-Implantat (Abstandhalter) steiler angesetzt (Osteotomie). An diesem Teil des Knochens ist die Patellasehne (Kniescheibenband) angesetzt. Der veränderte Winkel der Patellasehne stabilisiert das Knie und übernimmt somit die Funktion des Kreuzbandes. Eine weitere Platte aus Titan dient zur Stabilisierung des Ganzen. Der durch die Osteotomie entstehende Spalt wird mit Knochenersatzstoff aufgefüllt und füllt sich nach einigen Monaten mit Knochenmaterial. Die Titanelemente werden nicht wieder entfernt. Mittlerweile existiert eine Weiterentwicklung zur TTA2, bei der nur noch ein Titanelement Verwendung findet.
  • Mithilfe zur Operationsplanung angefertigter Röntgen-aufnahmen kann durch digitale Schablonen ermittelt werden, um wie viele Millimeter die Patellasehne nach vorne verlagert werden muss. Der Grad des benötigten "Advancements" ist von Patient zu Patient individuell zu ermitteln und abhängig von Größe und anatomischen Begebenheiten.

Vorteile der TTA 

  1. geringinvasiver Eingriff, Kniegelenk bleibt während OP geschlossen
  2. kurze OP-Dauer mit geringem Narkose-Risiko
  3. geringes Infektionsrisiko des Gelenks (< 2 %)
  4. sofortige postoperative Belastung ohne Schmerzen möglich, keine Überdehnung des Gelenkes, keine Nachoperation notwendig
  5. schnelle vollständige Belastbarkeit (Reha jedoch auch hier unerlässlich)

 

Rekonvaleszenz

 

Nach einer TTA-Operation beträgt die Erholungszeit etwa 3 Monate. Während dieser Zeit sollte unbedingt Physiotherapie zum Einsatz kommen und die Aktivität / Bewegung langsam und gezielt nach Reha-Plan gesteigert werden.

Im Gegensatz zum Bandersatz erholen sich betroffene Hunde sehr schnell von der OP und stehen nicht selten schon am Folgetag des Eingriffes wieder voll auf betroffenem Hinterlauf - das hängt stark vom individuellen Schmerzgedächnis des Individuums ab.

Postoperative Schmerzen sind aber nur auf die Wundnaht zurückzuführen, nicht auf das Gelenk selbst. Die Verabreichung von Schmerzmittel kann daher auf 1-3 Tage begrenzt werden.

Eine Gelenk stützende / stabilisierende Bandage ist nicht notwendige - das operierte Gelenk ist in sich stabil. Die Regenerations- und Schonzeit zielt lediglich auf die Fixierung und Verwachsung der eingesetzten Implantate sowie den entstandenen Knochenspalt ab.

 

Ein riesiger Vorteil einer OP nach TTA oder TPLO ist auch jener, dass die Belastung des operierten Hinterlaufes für den Hund im Normalfall sehr schnell wieder möglich wird. Dadurch ist eine übermäßige und lange Fehlhaltung und die damit einhergehende Überbelastung des gegenüberliegenden Gelenkes nicht gegeben.

Je länger eine Fehlhaltung vorliegt, umso wahrscheinlicher wird eine erneute Ruptur des gegenüberliegenden Kreuzbandes!

Ausgeschlossen ist es aber auch bei TTA oder TPLO natürlich nicht!

Meine subjektiven Erfahrungen

 

Prä-Operativ

 

Bei Éowyn trat die Verletzung nicht plötzlich auf, sondern eher schleichend und kann daher durchaus als degenerativer  Prozess bezeichnet werden.

Éowyn streift oft durch´s Unterholz und kommt dann auf Ruf schnurstracks und auf kürzestem Weg zu mir gelaufen, egal welche Hindernisse sich ihr in den Weg stellen. Im Laufe der Zeit wurde das KB wohl mehr und mehr in Mitleidenschaft gezogen. Eine plötzliche Verletzung, merkbar durch aufschreien oder punktuelles Lahmen war nicht feststellbar.

Das typische Lahmen tauchte bei Éowyn erstmals in den Sommermonaten 2016 auf - und auch erst nach etwa 2-stündiger Wanderung. Für den Rest des Weges hielt das Lahmen an und wir versuchten erstmal mit Schmerzmitteltherapie und darauf folgendes Schonen gegen zu steuern. Das Lahmen verschwand, tauchte aber nach 3 Tagen wiederum nach etwa 2-stündiger Belastung auf.

Die Vorstellung beim TA wie auch in der Tierklinik brachte keinerlei definitive Erkenntnis. Éowyn zeigte weder Schmerzempfinden im Knie, noch im Sprunggelenk oder Hüfte. Mehrmals durchgeführte Schubladentests (Sitztest positiv) verliefen negativ. Trotzdem war die erste, nicht greifbare, Diagnose:

Anriss des Kreuzbandes! Striktes Schonen und Schmerzmitteltherapie über mehrere Wochen standen an.

In der zweiten Schonungs-woche kamen mir jedoch Zweifel. So wie Éowyn sich auf der Couch rekelte konnte sie meiner Meinung nach keine Schmerzen im Knie haben. Jedoch humpelte sie mittlerweile ständig, auch ohne vorhergehende Belastung ...für mich lag das Problem nachdem was ich beobachtete eher im Pfotenbereich. Die erneute Untersuchung förderte dann auch eine Fissur in einer der Zehen zutage. Eine Diagnose, die durch Röntgenbilder und deutliches Anzeichen von Schmerz greif- und belegbar war. Aber auch hier war wochenlanges schonen und Leinen-Gassi angesagt. 

Diese Diagnose brachte uns aber letztlich auf die falsche Fährte. Die Fissur (Haarriss) war wohl eher ein Produkt des ursprünglichen Schonverhaltens...Éowyn stieß sich öfters die Pfote am Rahmen der Terrassentür. Da dies aber greifbar war und sie sonst nichts anzeigte, legten wir das ursprüngliche Problem mit dem Kreuzband unausgesprochen ad acta.

Der endgültige Riss des Kreuzbandes vollzog sich dann in der fünften Schonungswoche. Früh morgens im Spätsommer, Éowyn an der Leine, im Wald waren die Wildfährten noch frisch, stolperte Éowyn am Wegesrand mit tiefer Nase. Das plötzliche humpeln war eindeutig und der nachfolgende Schubladentest in der Klinik konnte positiver nicht sein.

OP 5 Tage später!!!

 

Post-Operativ

 

Der Eingriff verlief ohne Probleme und Éowyn zeigte sich schon am selben Tag recht fit. Auffallend war für mich, dass sie den operierten Lauf noch am selben Abend voll belastete und satt auf dem rechten Bein stand. Einzig der noch für 3 Tage angelegte Wundverband hinderte sie an einem flüssigen Bewegungsablauf.

Éowyn war schon immer recht hartgesotten was Schmerzempfinden angeht und nach Abnahme des Verbandes war die bereits begonnene Reha für Aussenstehende nur daran zu erkannen, dass sie nur an der Leine bewegt wurde.

Auch die Wundnaht verheilte nach Plan und stellte keinerlei Komplikationen dar. Sie ließ die Wunde völlig in Ruhe und machte keine Anstalten ran zu gehen. Die Klammern wurden planmäßig in der zweiten Woche entfernt. 

Eine Woche nach Eingriff begannen wir mit der Physio. Beim ersten Vorstellen zeigte die Physiotherapeutin extremst überrascht über Éowyns Gesundheitszustand, darüber dass sie das Bein so belastetet...sie fragte ungläubig zwei oder dreimal nach, ob die OP wirklich erst eine und nicht bereits vier oder fünf Wochen her war.

Es folgten insgesamt 12 Sitzungen über die Wochen mit verschiedenen  Übungen und gesteigerter Intensität.

Auch die Kontrollen in der Klinik waren mehr als zufriedenstellend, das Knie war stabil, die Muskulatur nahm stetig zu.

 

Kontroll -Aufnahme des Knies zwei Wochen nach Eingriff

In der 8. Woche bekam ich von Seiten der Klinik wie auch Physio die Erlaubnis zum dosierten Steigerung der Belastung...kontrollierter Freilauf ohne Leinenzwang.

In der 10 Woche war die Reha faktisch ab-geschlossen, Éowyns Genesung ging viel schneller voran als ursprünglich gedacht und erwartet.

Stand heute, der Eingriff ist ziemlich genau 12 Monate her, bestehen keinerlei Probleme mit dem operierten Gelenk. Éowyn ist vollständig wieder-hergestellt und auch das gegenüberliegende Kreuzband macht bislang keinen Eindruck einer Schädigung.

Aus meiner Sicht kann ich die Kreuzband-Operation nach TTA bedingungslos empfehlen!


Kosten / Folgekosten

 

 

Eine solche Operation ist finanziell leider kein Pappenstiel und auch die Folgekosten reißen schnell ein tiefes Loch in die Geldbörse.

Um die 1.500 Euro (+/- x) sollten für die eigentliche OP veranschlagt werden, wobei die Nachsorge im Normalfall darin bereits enthalten ist. Notwendige Kontrollbilder nach etwa 8 - 10 Wochen (wir haben Aufnahmen nach 2, 6 und 10 Wochen erstellt) kommen noch hinzu.

Ein weiterer Batzen wird durch die Physio fällig. Hier kommt schnell annähernd ein weiterer vierstelliger Betrag zusammen.

Nicht zu beziffern sind die Kosten der Untersuchungen VOR der OP. Ist die Diagnose unklar kann es zahlreiche Besuche beim TA mit sich ziehen, zahllose Röntgenbilder können angefertigt werden bis hin zum Besuch der berühmten "Röhre", die auch wieder mit 500 - 700 Euro zu Buche schlägt.

Also kurzum, Gesamt-Kosten von 3.000 - 3.500 Euro sind hier keine Seltenheit.

Ich empfehle daher dringend den Abschluss einer

Hunde-Krankenversicherung oder Hunde-OP-Versicherung.

Im Schadensfall übernimmt beispielsweise eine OP-Versicherung die Kosten der OP, die Nachsorge (in der Regel bis 2 Wochen nach OP) sowie, und das ist nicht zu vernachlässigen beispielsweise im Falle bei Notwendigkeit eines CT´s, die Kosten des letzten Untersuchungstages VOR der OP.

In unsererm Fall konnte ich die Gesamtkosten von knapp 3.000 Euro um die Hälfte reduzieren. Meine OP-Versicherung hat innerhalb nicht mal einer Woche unbürokratisch die OP-Kosten übernommen.

Und wer weiß schon, ob nicht das zweite Kreuzband irgendwann doch noch reißt?!